Railcare liefert direkt in die Stadt – auf der Schiene
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22.09.2016
Ein Grossverteiler, der 42 Geschäfte im Herzen von Genf per Bahn beliefert? Genau das macht Coop zusammen mit dem Logistikunternehmen RailCare. Sie übernehmen eine Vorreiterrolle in Europa.
ip. Obwohl die Schiene bevorzugt als Transportmittel für lange Distanzen eingesetzt wird, beliefert der Detailhändler Coop seine 42 Genfer Geschäfte seit drei Jahren auch auf kurzer Distanz mit der Bahn. Ausser frischem Brot wird das gesamte Sortiment von der 63 Kilometer entfernten Westschweizer Zentrale bei Lausanne auf der Schiene geliefert.
«Wir sind sehr zufrieden und konnten alle Projektziele erreichen: Die Versorgungssicherheit und die Transportqualität entsprechen vollumfänglich den Vorgaben von Coop. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass kombinierter Verkehr auch auf kurzen Strecken erfolgreich realisiert werden kann», erklärt Ramón Gander, Mediensprecher bei Coop. Dieses Projekt soll einen weiteren Beitrag zum Klimaschutz leisten. Das Ziel sei es, bis 2023 eine neutrale CO2-Bilanz aufzuweisen. Der Transport auf der Schiene weist aber auch noch weitere Vorteile auf. Im Gegensatz zu den Lastwagen, welche von Staus gebremst werden und das Nachtfahrverbot beachten müssen, können Züge immer verkehren.
Das Prinzip der Pendelzüge cargo
An sechs von sieben Tagen fahren jeweils drei Züge von der Waadtländer Verteilerzentrale in Aclens bei Lausanne bis zum Bahnhof La Praille inmitten in der Stadt Genf. Der erste Zug bringt um 2 Uhr morgens Früchte und Gemüse, die nachfolgenden Lieferungen kommen um 4:30 und um 11:15 Uhr an. RailCare, seit 2010 Tochtergesellschaft der Coop Gruppe, liefert mit relativ kurzen (240 Meter) Wagenkompositionen, die auch auf dem Hochgeschwindigkeitsnetz der Personenzüge verkehren. Jeder Zug transportiert bis zu 28 Container, die nicht nur Coop gehören. Auch andere Firmen wie McDonald’s nutzen das Angebot.
Im Zentrum von Genf angekommen werden die Container in wenigen Minuten horizontal vom Zug auf die Lastwagen abgeladen, welche die Waren zum Verkaufsort befördern. Laut Coop können auf diese Weise sechzig Lastwagenfahrten täglich zwischen der Waadtländer Zentrale in Aclens und Genf eingespart werden.
Die Versorgung der Städte
Die tiefen Diesel- und Benzinpreise sprechen zurzeit nicht unbedingt für die Schiene. Doch für Sylvain Galé, Leiter der Region Westschweiz von RailCare, setzt Coop auf die Zukunft: «Dass man mit seiner Ware per Bahn bis ins Stadtzentrum gelangen kann, ist eine grosse Stärke von Coop, gerade wenn man die Veränderung des Strassenverkehrs betrachtet.» Coop kann sich vorstellen, dieses Modell auch auf andere Schweizer Städte zu adaptieren und prüft mittelfristig die Einführung in der Stadt Basel.
Die Versorgung der Städte mit der Bahn ist an sich nichts Neues. Die regionale Genossenschaft Migros Genf ist neben dem Bahnhof La Praille stationiert und kann direkt beliefert werden. Migros arbeitet seit mehr als 50 Jahren mit SBB Cargo zusammen. Jean-Bernard Pouget, verantwortlich bei Migros Genf für Logistik und Transport, sagt, dass 100 Prozent der nicht verderblichen Nahrungsmittel und des Non-Food-Bereichs auf der Schiene nach Genf geliefert werden. «Nur verderbliche Waren kommen mit dem Lastwagen.»
Obwohl die Bilanz von Coop auf den ersten Blick besser ausschaut, macht die Komplexität der Logistik den Vergleich der beiden Unternehmen schwierig. So werden zum Beispiel von Coop die Genfer Marktprodukte zuerst mit dem Lastwagen nach Aclens transportiert, um dann mit RailCare nach Genf zu kommen. Dies ist ein Nachteil der von Coop gewollten Zentralisierung. Im Gegensatz zum Konkurrenten Migros, der in der Westschweiz vier Verteilzentralen hat, gibt es von Coop nur eine einzige in Aclens.
Die Alpen-Initiative begrüsst das Engagement der zwei Grossverteiler für die Verlagerung auf die Schiene. Für ihren Willen, den Energieverbrauch und die CO2-Emissionen zu reduzieren, hat das Bundesamt für Energie den Unternehmen Migros und Coop den Watt d’Or-Preis verliehen, eine Auszeichnung für Bestleistungen im Energiebereich – einen Preis übrigens, den die Alpen-Initiative schon 2007 für ihre Idee der Alpentransitbörse erhalten hatte.